Zum Abschluss der ABS-Tagung in Tessin am 27.09.2022 wurden im Rahmen einer Ideenwerkstatt aktuelle Themen rund um Naturfreibäder behandelt. Obwohl die Ideenwerkstatt am Ende der Veranstaltung stattfand, setzte die Auseinandersetzung mit den gesetzten Themen eine erfreulich kreative Energie bei den Teilnehmern frei.
Der Moderator der Ideenwerkstatt, Dr. Jürgen Spieker von KLS Gewässerschutz, hatte 6 Themen vorgegeben, die von den Teilnehmern mit Inhalten gefüllt wurden. Nach einer kurzen fachlichen Einführung in jedes Thema wurden auf jeweils einer Seite der Präsentation die Diskussionsbeiträge gesammelt. Im Folgenden werden die Ergebnisse der einzelnen Themen dargestellt.
Zu jedem Thema wurden in den Beiträgen der Teilnehmer und der anschließenden Diskussion die spezifischen Auswirkungen und Herausforderungen erarbeitet. Die Ergebnisse lassen sich grob in drei Kategorien einteilen:
- Auswirkungen und Herausforderungen auf und für die Besucher
- Auswirkungen und Herausforderungen auf und für die Infrastruktur des Naturfreibades
- Auswirkungen auf das Wasser und Herausforderungen an die Wasserqualität
Dabei gibt es viele Überschneidungen zwischen den Themenbereichen. Etwa zwischen den Themen Klimawandel, Energie und technische Innovation.
Klimawandel
Der Klimawandel wird nicht nur unsere Umwelt, sondern auch unser Verhalten und damit auch unsere Freizeitaktivitäten beeinflussen. Der Trend zu höheren Temperaturen wird sich auch in der Nutzung von Naturfreibädern bemerkbar machen. Während sich die Summe der Niederschläge wohl nicht verändern soll, ist mit einer anderen Verteilung hin zu längeren Trockenzeiten und einzelnen Starkregenereignissen zu rechnen.
Besucher | Infrastruktur | Wasser |
höhere Besucherzahlen | Verteilung der Flächen | Veränderung der Wasserqualität |
Änderung der Zusammensetzung der Besucher | Folienfarbe | Wasserknappheit, Wasserverfügbarkeit |
Änderung der Erwartungshaltung der Besucher | Speicherkapazitäten schaffen (Stichwort Sponge City; Schwammstadt) | Wasserherkunft |
Koppelung von Schwimmteichen mit Reinigung von Niederschlagswasser in Städten | ||
erhöhtes Wachstum Algen | ||
vermehrtes Aufkommen von Parasiten, Kriebelmücken etc. |
Grundsätzlich wird erwartet, dass durch die höheren Temperaturen mit steigenden Besucherzahlen zu rechnen ist. Möglicherweise geht dies mit einer Änderung der Zusammensetzung und der Erwartungshaltung der Besucher einher. Eine Änderung der Zusammensetzung der Besucher könnte sich dadurch ergeben, dass auch Teile der Bevölkerung, die bisher noch nicht (oder schon lange nicht mehr) in einem öffentlichen Bad gewesen sind, den „Lebensraum Naturfreibad“ für sich entdecken.
Damit geht einher, dass sich vermutlich die Verteilung der Flächen hin zu einer vermehrten Anzahl an Schattenplätzen und Beschattung allgemein verändern wird. Durch die Farbe der Folie bzw. der Beckenwände und des Beckenbodens kann auch die Erwärmung des Wassers gesteuert werden. Möglicherweise sind helle Farben von Vorteil, die aber hinsichtlich der Pflege eine große Herausforderung darstellen. Inwieweit sich über die Farbe der Oberflächen unter Wasser Änderungen des Aufwuchses und der Biofilme steuern lassen, ist noch nicht erforscht (s. dazu auch Artikel in dieser Naturbad Info: „Fluch und Segen der Biofilme – ein ganz besonderer Lebensraum“). Bei Starkregenereignissen fällt innerhalb kurzer Zeit eine sehr große Menge an Wasser an. Meist wird versucht, das Wasser abzuleiten. Besser wären die Rückhaltung und effektive Versickerung bzw. Speicherung des Wassers, möglicherweise als Füllwasser oder Wasser zu Beregnung und Bewässerung umgebender Grünflächen. Gerade in Trockenzeiten kann dies sehr wichtig werden.
Im derzeit gültigen Regelwerk (FLL 2011[1]) ist eine Temperaturobergrenze von 25°C vorgesehen, die über einen begrenzten Zeitraum (5 Tage) überschritten werden darf (nicht höher als 28°C). Aus gewässerökologischen Gesichtspunkten darf die Wassertemperatur 30°C nicht überschreiten, weil dann die Leistungsfähigkeit der Biozönosen (Lebensgemeinschaften), die für die Wasserreinigung verantwortlich sind, stark abnimmt. Damit kann sich auch die Wasserqualität verändern (zum Schlechten) und möglicherweise treten neue Algen- und Tierarten auf, deren Rolle im Gesamtsystem nicht absehbar ist.
Energie
Klimawandel und Energieerzeugung bzw. Energieverbrauch stehen in einem engen Zusammenhang, da der Klimawandel nachweislich auch durch das Verbrennen fossiler Energien verursacht bzw. beschleunigt wird. Aktuell belasten hohe Preise für die Energie die Betreiber von Naturfreibädern zusätzlich. Energieeinsparung und der effiziente Einsatz der benötigten Energie sind daher große Herausforderungen.
Besucher | Infrastruktur | Wasser |
Energieeffizienz und Voreinsparung | Photovoltaik ausweiten auf allen möglichen Plätzen | Einsatz von Wärmepumpen (auch zur Kühlung von Wasser) |
Energie-Einspar-Konzepte | ||
Anpassung der Regelwerke | ||
Solarenergie für z.B. Duschen |
Mit Energie sollte so sparsam wie möglich umgegangen werden. Am Besten wäre es natürlich, wenn bereits jeder einzelne Besucher dies praktizieren würde. Über Hinweise zum sparsamen Umgang mit Energie können in einem Naturfreibad möglicherweise auch Besucher animiert werden, zu Hause ebenfalls sparsam mit Energie (und Wasser) umzugehen.
Im Naturfreibad selbst sollten alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden, um Sonnenenergie zu nutzen. Dazu sollte die Photovoltaik ausgebaut werden und auch die Duschen mit in das Konzept einbezogen werden. Bei der Neufassung des Regelwerkes für Naturfreibäder sollte dies ebenfalls eine große Rolle spielen.
Das Wasser selbst könnte auch als Energieträger eingesetzt werden, indem nachts (oder tagsüber bei zu hohen Temperaturen) der Wärmeüberschuss energetisch genutzt wird.
[1] Forschungsgesellschaft Landschaftsentwicklung Landschaftsbau e.V. (2011): Richtlinien für Planung, Bau, Instandhaltung und Betrieb von Freibädern mit biologischer Wasseraufbereitung (Schwimm- und Badeteiche). — ISBN 978–3‑940122–28‑5.
Technische Innovation
Ist die Entwicklung der Naturfreibäder schon am Ende angelangt? Die bestehenden öffentlichen Naturfreibäder weisen eine hohe Betriebssicherheit auf. Das in vielen Bädern durchgeführte gewässerökologische Qualitätsmanagement (s. Naturbad Info 01/2021) und der Einsatz der Software DANA 2.0 (s. Naturbad Info 2022) haben dazu einen großen Beitrag geleistet und viele technische Vorgaben sind im bestehenden Regelwerk (FLL) beschrieben. Grundsätzlich gilt: die gewässerbiologischen Reinigungsprozesse über Biofilme (in Filterkörpern) und freie (gute) Bakterien, Phytoplankton (Schwebalgen) sowie Zooplankton (tierische Schweborganismen im Wasser) im Wasser sind das wesentliche Merkmal eines Naturfreibades. Technische Prozesse steuern und regeln die Gewässerbiologie in unterschiedlichem Maße durch die Beschickung der Aufbereitungssysteme. Zukünftige technische Innovationen werden sich daher mit den Anforderungen auseinandersetzen müssen, die vom Klimawandel und der Energieverfügbarkeit gestellt werden.
Besucher | Infrastruktur | Wasser |
Alternative Energiegewinnung durch Badegäste | Ausweitung Solaranlagen | Wassernachnutzung |
Kombination Erwärmung und Kühlung | Energiesparender Schnellfilter | |
Alternative Baumaterialien | ||
Indoor Hallenbäder |
Technische Innovationen wurden hauptsächlich in den Bereichen Energieeinsparung und Wassernutzung diskutiert. So wurde für die Ausweitung der Solarenergie und den sinnvollen Umgang mit Wasser plädiert. Grundsätzlich sollten auch die Pumpen in den Filter- und Aufbereitungssystemen möglichst energiesparend betrieben werden.
Der Bereich der alternativen Baumaterialien wurde nicht näher erläutert. In diesem Bereich besteht aber sicher noch ein großes Potential.
Können Badegäste während des Aufenthaltes zur Energiegewinnung beitragen? Auch hierbei sind der Phantasie keine Grenzen gesetzt.
Nährstoffrückhaltung
Die Menge der Nährstoffe im Wasser eines Naturfreibades ist entscheidend für die Wasserqualität. Da eine hohe Sichttiefe und eine geringe Biomasse an Phytoplankton (Schwebalgen) und anderen Algen wie z.B. Fadenalgen und Algenbeläge angestrebt werden (s. FLL), wird eine Konzentration an Phosphor von unter 0,01 mg/L gefordert. Phosphor als produktionslimitierender Nährstoff ist dabei von größerer Bedeutung als Stickstoff (in Form von Nitrat und Ammonium). Phosphor, der einmal ins System gelangt ist, kann nur durch Reinigungsarbeiten (Entnahme von Biomasse) aus dem Wasser entfernt werden. Vorher wird jedoch ein großer Teil des Phosphors im System durch die Aktivität der Algen und des Zooplanktons sowie in den Aufbereitungssystemen immobilisiert.
Besucher | Infrastruktur | Wasser |
Eintragspfad Besucher (Schweiß, Hautpflegeprodukte) | Eintragspfade von Freiflächen beachten | Redfield-Verhältnis für Naturbäder überprüfen |
Das Redfield-Verhältnis gibt die Relation der Nährstoffe Phosphor ℗, Stickstoff (N) und Kohlenstoff © in marinem Phytoplankton (Schwebalgen) an. Man geht davon aus, dass bei diesem Verhältnis auch im Süßwasser eine optimale Verteilung der Nährstoffe vorliegt. Ob dies wirklich so ist, wurde für Naturfreibäder noch nicht wissenschaftlich untersucht. Bei den zukünftigen Herausforderungen durch den Klimawandel und dessen möglichen Auswirkungen auf die Wasserqualität wäre dies ein interessantes Thema der zukünftigen Forschung.
Grundsätzlich sollte der Eintrag von Nährstoffen aus der Umgebung so beschränkt werden, dass im Bad selbst keine Probleme auftauchen können. Die Lenkung der Besucher zum Wasser hin muss bereits planerisch gelöst werden. Auch die Einträge durch die Besucher (Schweiß, Hautpflegeprodukte) müssen berücksichtigt und minimiert werden
Kunst im Bad
Naturfreibäder werden von einer großen Anzahl an Besuchern frequentiert. Die meisten Besucher verbringen eine lange Zeit im Bad, die mit Baden, Spielen und Entspannen verbracht wird. Kunst (und Kultur) im Bad könnte eine weitere Nutzungsmöglichkeit sein, mit der auch Besuchergruppen mobilisiert werden können, die bisher nur wenig Zugang zum Naturfreibad hatten.
Besucher | Infrastruktur | Wasser |
Bildungsauftrag | Bäder auch als Kunstplattform | Ausstellung von z.B. Planktonorganismen und anderen Wasserorganismen |
Konzept Kunst und Kundenkommunikation, Öffentlichkeitsarbeit | Limnologisches Fenster in Hydrobotanik | |
Aufnahme der Kunst in Bädern in Datenbank | Förderung von Kunst am Bau | |
In Frankreich: Theater und Konzerte im Bad |
In Frankreich werden z.B. Konzerte in Naturfreibädern veranstaltet. Das zeigt, dass eine weitergehende kulturelle Nutzung eines Bades grundsätzlich möglich ist. Neben der Förderung der Bäder als zusätzliche Kunstplattform, wurden auch naturbadspezifische Attraktionen genannt. Zum Beispiel die Anlage eines „limnologischen Fensters in der Hydrobotanik“ also eines Sichtfensters, durch das Besucher wie in einem Aquarium die Unterwasserwelt eines Naturfreibades erkunden können. Um dem Besucher die für die Wasserreinigung wichtigen Organismen zeigen zu können, wäre auch eine spezielle (Wander-)Ausstellung mit aussagekräftigen Fotos und Beschreibungen der Organismen des Phyto- und Zooplanktons machbar.
Mikroplastik
Gibt es Risiken durch Mikroplastik in Naturfreibädern? Diese Frage kann noch nicht beantwortet werden. Grundsätzlich wird die zunehmende Verbreitung von Mikroplastik in der Umwelt jedoch als problematisch angesehen. Dabei bestehen immer noch Unsicherheiten bei der Analytik und vorher bereits bei der Probenahme.
Besucher | Infrastruktur | Wasser |
Eintragspfade | Zunehmend Plastikmaterialien im Bau (Stege) | Erhebung von Studien in Naturfreibädern |
Ev. Monitoring über Zooplankton möglich | ||
Auswirkung von Mikroplastik auf Biofilme (Filteranlagen) |
Neben den Besuchern, die über die Badekleidung und evtl. auch über Hautschutzprodukte Mikroplastik in das Wasser von Naturfreibädern eintragen, kann Mikroplastik auch über Baumaterialien, wie z.B. Stege, ins Wasser gelangen. Ob und wie sich Mikroplastik im System Naturfreibad verhält sollte geklärt werden.
Fazit
In einer sehr engagierten Veranstaltung während der ABS-Tagung in Tessin wurden in 6 Themenbereichen Ideen für die weitere Entwicklung von Naturfreibädern gesammelt. Dabei diskutierten die Teilnehmer die Themen Klimawandel, Energie, technische Innovationen, Nährstoffrückhaltung, Kunst im Bad und den Einfluss von Mikroplastik hinsichtlich der Auswirkungen und der Herausforderungen im zukünftigen Betrieb von Naturfreibädern.
Die Zukunft wird zeigen, ob und wie viele der Ideen in die Praxis übernommen werden können. Jeder Betreiber und das zuständige Personal in den Bädern können aber für sich und lokal im eigenen Bad anfangen, einige der Ideen umzusetzen. Auch in die zukünftige Entwicklung der Regelwerke werden viele dieser Ideen eingehen und so möglicherweise in die Praxis umgesetzt werden.